Ohne Rethicus kein Kopernikus

 

 

Feldkirch  hat dem Wegbereiter des heliozentrischen Weltbildes 2009 vor dem Dom ein Denkmal gesetzt: eine Sonnenuhr des Künstlers Hanno Metzler in Gestalt eines Betstuhls.  Am Veistkapf steht seit 1988 eine Kugelsonnenuhr zu Ehren des Rheticus.

 

Die Rheticus-Gesellschaft hat ihrem Namensgeber im Jahre 2010 einen Sonderband gewidmet. Vertiefende Informationen sind  im Werk “Rheticus, Wegbereiter der Neuzeit”, Bucher-Verlag,  Hsg. Schöbi, Sonderegger zu finden.

 

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Die folgenden Gedanken stammen aus einem Artikel, den ich in “Thema Vorarlberg, Ausgabe 38, Mai 2018”  veröffentlicht habe:

 

Vor 508 Jahren wurde Georg Joachim des Porris – genannt Rheticus – am 14. Februar in Feldkirch geboren. Sein Weg führte ihn als Schüler des berühmten Nikolaus Kopernikus nach Frauenburg. Mit einer populären Erstpublikation, der „narratio prima“, wird er zum Wegbereiter eines neuen astronomischen Weltbildes.

Das Weltbild vor 500 Jahren

Das astronomische Fernrohr war zu Lebzeiten des Rheticus (1514 – 1574) noch nicht erfunden. Himmelskunde war reine Positionsastronomie. Astronomen haben die Position der Fixsterne beobachtet und genau vermessen. Planeten wurden auch Wandelsterne genannt, da sie sich zwischen den Sternen hindurch bewegen. Uranus, Neptun und Pluto waren noch nicht entdeckt, Saturn mit einer Entfernung von 1,4 Milliarden Kilometer der „Rand“ des bekannten Universums. Die Sterne waren lediglich Lichtpunkte auf einer Sphäre, die zu unserer Freude geschaffen wurden. Die Erde stand im Zentrum und um sie kreisten Mond, Sonne, Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn. Die Vorstellung, dass wir uns mitsamt der Erde mit hoher Geschwindigkeit bewegen, war damals absurd. Das könnte man niemals überleben, die Menschen würden von der Erde wegkatapultiert werden – so glaubte man. Auch die Bibel wurde herangezogen um das geozentrische Weltbild zu untermauern. Schließlich befahl Gott der Sonne still zu stehen (Joshua 10).

Die Stationen des Rheticus

Rheticus war der Sohn von Dr. Georg Iserin und Thomasina de Porris. Sein Vater, der „Stadtmedicus von Feldkirch“ wurde im Jahre 1528 wegen Hexerei angeklagt und hingerichtet. Daher nahm der Sohn zuerst den Namen der Mutter an und später führte er den Beinamen „Rheticus“. Nach dem Besuch der Lateinschule studierte er in Zürich Mathematik. Rheticus´ Begegnungen mit Paracelsus und Martin Luther prägten ihn. Der Gelehrte Philipp Melanchton förderte ihn und ermöglichte ihm Studienreisen. Zwischen 1539 und 1541 hielt er sich bei Nikolaus Kopernikus, dem Schöpfer des damals revolutionären heliozentrischen Weltbildes, in Frauenburg auf. Rheticus, der von Wittenberg, der Hochburg der Reformation anreiste, wurde vom berühmten, 70jährigen katholischen Domherrn Kopernikus mit offenen Armen empfangen. Religiöse Unterschiede spielten und spielen bei Gelehrten keine Rolle. Der erste und einzige Schüler des Kopernikus studierte wissbegierig die neue Theorie, nach der die Sonne im Zentrum des Universums steht. Darüber lagen   Handschriften des Kopernikus vor, die noch nicht druckreif ausgearbeitet waren. Es gab massiven Widerstand gegen die neue Weltsicht. So soll Matin Luther in einer Tischrede über Kopernikus und seine Ideen gesagt haben: „Der Narr will die ganze Kunst der Astronomiae umkehren…“

Kein Kopernikus ohne Rheticus

Dennoch gab Kopernikus das Einverständnis, einen Vorbericht zu veröffentlichen und die wissenschaftliche Gemeinschaft über die neuen Ideen in Kenntnis zu setzen. Die „narratio prima“ des Rheticus von 1539 war ein voller Erfolg und wurde bis zum Jahre 1600 viermal neu aufgelegt. Die Narratio war eine Ankündigung und Kurzfassung des geplanten Hauptwerks des Kopernikus „De Revolutionibus Orbium Coelestium – über die Himmelsbahnen). Ungewöhnlich, dass dieses Hauptwerk erst deutlich später, 1543 veröffentlich wurde. Weniger erstaunlich ist, dass die Narratio eine viel weitere Verbreitung fand. Denn in den Formulierungen sind die jugendliche Frische und die Begeisterung des Autors zu spüren.

Das Verdienst des Feldkirchers ist es mit der Narratio das heliozentrische Weltbild erstmals zugänglich zu machen. Zudem konnte er seinen Lehrer überzeugen, sein großes Hauptwerk aus der Schublade herauszuziehen und die kopernikanische Revolution erst zu ermöglichen. Kurz gesagt: Kein Kopernikus ohne Rheticus.